Geschäftsbericht der Strassenbahn Bielefeld für das Jahr 1933



Jahresbericht des Städtischen Betriebsamtes Bielefeld.
Gas-, Wasser, Elektrizitätswerk, Strassenbahn, Kraftwagenbetrieb und Verkehrsamt
für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1933


Allgemeines

Die bereits im Herbst 1932 fühlbar gewordene Belebung in der Wirtschaft setzte sich das ganze Jahr 1933 hindurch weiter fort und machte sich auch in der Höhe der Erzeugungsziffern des Gas-, Wasser- und Eltwerkes des Berichtsjahres bemerkbar. Nur in den Verkehrsbetrieben fand eine Belebung nicht statt, es zeigte sich ein weiteres Absinken der Verkehrsziffern. Erfahrungsgemäß zeigen die Verkehrsbetriebe später als die Versorgungsbetriebe die Wirkung der Konjunktur im auf- und absteigenden Zweig.

Gaswerk (...), Wasserwerk (...), Elektrizitätswerk (...)

Straßenbahn

lm Straßenbahnbetrieb sank die Zahl der beförderten Personen auf 10.743.080, d.h. um 3,2% und liegt somit um 29% unter der höchsten Ziffer von 15.140 Mio. Fahrgäste des Jahres 1929. Die Durchschnittseinnahme für eine beförderte Person ist von 14,28 Pfg. auf 13,97 Pfg. gesunken.

Kraftwagenbetrieb

Im Kraftwagenbetrieb betrug die Zahl der beförderten Personen 2.340.944, d. h. 4,5% weniger als im Vorjahre. Die Durchschnittseinnahme für eine beförderte Person ist von 17,31 Pfg. weiter auf 17,07 Pfg. gefallen.

Haus der Technik (...)

Persönliches

Der Personalbestand sämtlicher Werke war am 31. Dezember 1933: 44 Beamte, 82 Dauerangestellte, 53 Tarifangestellte und 813 Arbeiter, insgesamt also 992 Personen gegen 950 Personen im Jahr 1932, d.h. 42 Personen mehr, darunter 30 Arbeiter. 4 Beamte und 3 Arbeiter konnten auf eine 25-jährige Tätigkeit beim Betriebsamt zurückblicken. 6 Arbeiter traten in den wohlverdienten Ruhestand. 3 Angestellte und 25 Arbeiter mussten infolge des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus unseren Reihen ausscheiden. Durch den Tod wurden uns 1 Angestellter und 1 Arbeiter entrissen, denen wir ein treues Gedenken bewahren werden.

Alle weiteren Angaben sind aus den folgenden Berichten über die einzelnen Werke bzw. Betriebe zu ermitteln.


Straßenbahn - 33. Betriebsjahr

Der Aufschwung, der dank der tatkräftigen Bemühungen der Reichsregierung zur Arbeitsbeschaffung auf allen Gebieten des Handels, der Industrie und des Gewerbes im Laufe des Jahres 1933 einsetzte, vermochte zunächst die städtischen Verkehrsbetriebe noch nicht in günstigem Sinne zu beeinflussen. Die Ursache dieser Erscheinung liegt darin, dass die wieder in Arbeit Getretenen infolge der langjährigen Arbeitslosigkeit zunächst notwendigere Ausgaben zu bestreiten haben und damit nicht dringende Ausgaben, so auch für vermeidbare Fahrten mit der Straßenbahn, unterlassen; dann aber ist auch zu berücksichtigen, dass der Bielefelder, in dessen Heimatstadt die Fahrradindustrie zu Hause ist, sich in erhöhterem Maße des billigsten Verkehrsmittels, des Fahrrades, mehr denn je bedient; auch eine größere Benutzung der vorteilhaften Fahrscheinhefte gegenüber dem Einzelfahrschein spielt dabei eine Rolle.

So kommt es, daß die Straßenbahn bei der allseitig vorhandenen Belebung im Jahre 1933, insgesamt genommen, Rückgänge in der Beförderungsziffer, in den Einnahmen und in den Wagenkilometern gegenüber dem Jahre 1932 aufzuweisen hat. Erst im Dezember 1933 setzte erstmalig im Vergleich zu dem Vorjahrsmonat ein Aufschwung ein, der mit 71,1% Mehreinnahme als immerhin recht erfreulich zu bezeichnen ist, und der, auch Anfang 1934 anhaltend, uns mit Vertrauen in Bezug auf die Weiterentwicklung des Straßenbahnbetriebes erfüllt.

Der Ausfall in den Einnahmen betrug bei einer Gesamteinnahme von 1.655.341 RM. im Jahre 1932 und von 1.545.568 RM. im Jahre 1933 etwa 6⅔%. Zur Ausgleichung dieses Rückganges wurden die Ausgaben für die Unterhaltungsarbeiten des Oberbaus, soweit angängig, gedrosselt und Neuanlagen gänzlich vermieden. Sonstige Ersparnisse wie im vergangenen Jahre durch Organisation und betriebliche Maßnahmen ließen sich bei bereits im Jahre 1932 ziemlich restlos erfolgter Ausschöpfung aller Möglichkeiten nur im unwesentlichen Maße erzielen.

Den vielfachen Wünschen auf allgemeine Wiedereinführung des 1932 eingeschränkten 5 Minuten-Frühverkehrs an Werktagen, der uns wesentliche Ersparnisse brachte, konnte daher noch nicht Rechnung getragen werden; lediglich an Sonnabend-Vormittagen, an denen lebhafter Marktverkehr herrscht, wurde im Interesse der Hausfrauen eine Wagenfolge von 5 Minuten auf allen Linien, beginnend 8 Uhr vormittags, vom 19.8.(1933) ab wieder eingeführt.

Durch geringe Heraufsetzung der Reisegeschwindigkeit und Änderung der Endpausen konnte unter Einsparung eines Wagens der 5 Minutenbetrieb auf der Linie 2 ab 15.5.(1933), der bis dahin nur bis zur Hallenstraße durchgeführt wurde, auf der ganzen Strecke aufgenommen werden.

Im übrigen traten nur unwesentliche Veränderungen im Betriebe ein, so dass die Betriebsleistungen mit 3.425.828 Wagenkilometern im Jahre 1933 nur wenig und zwar um 33,7% hinter denen von 1932 mit 3.554.439 zurückstehen. Die Betriebsausgaben konnten um insgesamt 7,4% von 1.439.071 RM im Jahre 1932 auf 1.340.214 RM im Jahre 1933 gesenkt werden.

Allgemeine tarifliche Änderungen wurden nicht getroffen. Zu erwähnen ist hier, dass den Schwerkriegsbeschädigten ab September eine Fahrpreisermäßigung - auch im Omnibusbetrieb – eingeräumt wurde, die den Schwerkriegsbeschädigten jede beliebige Fahrt Stadtbezirk für 10 Pfg. gestattet.

Bemerkenswert ist die weitere Zunahme der Zahl der auf Heftfahrscheine fahrenden Fahrgäste; während die Zahl der auf Vergünstigungsscheinen im Vergleich zu der auf Einzelfahrscheinen beförderten Fahrgäste im Jahre 1932 nur 42% betrug, beträgt sie im Jahre 1933 bereits 61%; sie ist zurückzuführen auf die überwiegende Benutzung der 50 Pfg. Fahrscheinhefte, die es dem Fahrgast ermöglicht, 2 Teilstrecken für 10 Pfg zu durchfahren. Die Abwanderung von den Einzelfahrscheinen auf die Fahrscheinhefte brachte uns im Jahre 1933 einen Einnahmeausfall von etwa 59.700 RM.

Die Arbeitszeit von 45 ½ Stunden pro Woche blieb im Fahrdienst bestehen, während sie in der Werkstätte, der zeitweilig gesteigerten Reparaturbedürftigkeit der Betriebsmittel entsprechend, auf vorübergehend 48 Stunden heraufgesetzt wurde.

ln der Belegschaft trat eine geringe Erhöhung ein. Ende 1932 wurden in der Werkstatt 52, auf der Strecke 19 und im Fahrdienst 227 Mann beschäftigt, die entsprechenden Zahlen für 1933 sind: 54, 22 und 237, so dass insgesamt 15 Mann 1933 mehr in dem Betriebe tätig waren.

Veränderungen im Wagenpark gab es nicht; es wurden 54 Hauptreparaturen an Triebwagen gegenüber 39 im Jahre 1932, desgleichen 11 gegenüber 9 im Jahre 1932 an Anhängewagen vorgenommen. Neulackiert wurden 6 Triebwagen. 5 Triebwagen wurden mit besonderen Heizkörpern und weitere 9 Triebwagen mit vier an Stelle der vorhandenen zwei Sandstreuern ausgerüstet.

Zum Schutze vor Witterungsunbill wurde auf dem Hauptverkehrsplatz, dem Jahnplatz, ein Schutzdach mit angebauter Post- und Betriebs-Fernsprechzelle errichtet.

Außer den üblichen kleinen Reparaturen an Gleisen und Oberleitung wurden 41 elektro-thermitische Schweißungen an Schienenstößen vorgenommen, desgleichen wurden 162 Laschenstöße elektrisch verschweißt und 3.830 m Oberleitungsdraht ausgewechselt.

Die Zahl der der Aufsichtsbehörde gemeldeten Unfälle betrug 51, davon verliefen 24 ohne, 24 mit leichten und 3 mit schweren Verletzungen; ein tödlicher Unfall trat nicht ein.

36 der Unfälle waren auf Selbstverschulden, davon 16 durch Auf- und Abspringen während der Fahrt, 10 auf unglücklichen Zufall und 4 auf Notbremsungen zurückzuführen. An den Unfällen waren beteiligt: 26 Fahrgäste, 19 Autofahrer und 6 Fußgänger.


Kraftwagenbetrieb - 9. Betriebsjahr

Ähnliche rückläufige Verhältnisse, wie sie der Straßenbahnbetrieb im Jahre 1933 in den Einnahmen, der Fahrgastziffer und den Wagenkilometern zeigt, finden wir auch im Autobusbetriebe im abgelaufenen Geschäftsjahr; auch hier wie dort die gleichen Ursachen und auch hier die erfreuliche Tatsache, dass ein Aufschwung in den Verkehrsziffern und Einnahmen des Autobusbetriebes zwar nicht im gleichen Schritt mit dem Anwachsen der Beschäftigungsziffern und dem Wiederaufblühen in Industrie, Handel und Gewerbe, so doch gegen Ende des Jahres im Dezember 1933 und zwar in der ansehnlichen Höhe von 16% gegenüber den Dezembereinnahmen 1932 festzustellen ist. Wenn auch Anfang 1934 sich etwa nur die gleichen Einnahmen wie im Januar 1933 zeigen, so ergeben sich doch damit erfreulichere Zukunftsaussichten.

Während die Beförderungsziffer sich 1933 gegenüber 1932 von 2.451.936 auf 2.340.944 d.h.um etwa 4,2% senkte, die Einnahmen von 427.584 RM. um 26.624 RM. oder 6,2% auf 400.960 RM. fielen, hielten sich die Wagenkilometer fast auf gleicher Höhe; der Rückgang in den Wagenkilometern beziffert sich auf nur 3.335 km bei einer Jahresleistung von 818.698 km.

Wenn aber trotz dieses Rückganges das finanzielle Ergebnis des Autobusbetriebes im Jahre 1933 verhältnismäßig günstig zu nennen ist, so ist das im wesentlichen auf die Beschaffung und Inbetriebnahme weiterer Dieselmaschinen zurückzuführen; es konnten die Betriebsausgaben von 461.661 RM. im Jahre 1932 auf 377.085 RM. im Berichtsjahr, also um 84.576 RM. oder um 18,3% heruntergedrückt werden.

Die Ersparnisse, die allein der Einsatz der Dieselmaschinen im Jahre 1933 erbrachte, belaufen sich auf 66.770 RM. Bei einer Einnahme von nur 49 Pfg. bezogen auf den Kilometer, denen Ausgaben in Höhe von 47,2 Pfg./km, gegenüber noch 56 Pfg./km im Jahre 1932, gegenüberstehen, bedeutet das ertmalig wieder seit 2 Jahren einen immerhin beachtlichen Betriebsüberschuss in Höhe von 23.875 RM.

Die Zahl der 1932 gefahrenen 6 Dieselmotore wurde im Laufe des Jahres 1933 um weitere 4 Dieselmaschinen vermehrt, die als Ersatz für veraltete Benzinmaschinen in durchweg ältere Omnibusse eingebaut wurden, eine Maßnahme, die sich bei den Omnibussen mit Stahlkarosserie bestens bewährte.

Damit werden bei einem Wagenpark von 18 Trieb- und 1 Anhängewagen insgesamt 10 Wagen mit Dieselmaschinen betrieben und zwar mit 4 Daimler-Benz 6-Zylinder-Maschinen mit einer Leistung von 85-90 PS, 3 Junkers 3-Zylinder-Doppelkolben-Maschinen mit 80 PS, 2 Büssing 6-Zylinder-Maschinen mit 100 PS und einer MAN 6-Zylinder-Maschine mit ebenfalls 100 PS Leistung.

Mit diesen Maschinen wurden 1933 insgesamt 551.181 Wagenkilometer bei einer Gesamtjahresleistung von 810.007 km mit den Triebwagen und 8.691 km mit dem Anhängewagen gefahren; die mit Diesel geleisteten Kilometer betragen mithin 68% der Jahresleistung, ein Prozentsatz, der sich im kommenden Jahre auf schätzungsweise 80% erhöht und so weitere Ersparnisse bringen wird.

Von den ausgebauten 9 Benzinmaschinen konnten inzwischen zwei anderweitig abgesetzt werden; drei Maschinen blieben für Notfälle in Betriebsreserve, eine Maschine ist von uns durch Verwertung der Einzelteile ausgebeutet, so daß noch drei weitere verfügbar bleiben.

An 5 Triebwagen wurden Hauptreparaturen in eigener Werkstatt durchgeführt, desgleichen an 19 Trieb- und 1 Anhängewagen die von der Aufsichtsbehörde vorgeschriebenen Jahresuntersuchungen. 3 Triebwagen wurden mit Neulack versehen.

Im Wagenpark selbst trat keine Veränderung ein. Zwecks störungsfreier Abwicklung des Betriebes bei Glatteis wurde eine fahrbare Sand- und Salzstreumaschine beschafft, die sich bestens bewährt.

Der Personalbestand erhöhte sich von 72 Köpfe Ende 1932 auf 76 Köpfe Ende 1933.

Der Fahrplan aller Linien blieb bis auf unwesentliche Änderungen bestehen.

Die Linie 7 Sieker - Scherenkrug konnte auf Grund unseres Antrages zur Fortführung des ab 8.8.1932 auf ministerielle Anordnung stillgelegten Streckenabschnittes Scherenkrug – Oerlinghausen und anschließender erfolgreicher Verhandlung mit der Reichspost gegen Hergabe von 5% der Einnahmen der Linie 7 am 3. Juni 1933 wieder in Betrieb genommen werden.

Auf vielfachen Wunsch wurde die Linie 5 durch Einsetzen eines Pendelwagens zwischen Melanchthonstraße und Bültmannskrug in den verkehrsreicheren Stunden an Werktagen ab 21.5.(1933) versuchsweise erweitert; da die Einnahmen noch weit schlechter waren, als angenommen - sie beliefen sich auf 10 Pfg./km - wurde der Betrieb am 17.6. (1933) vorzeitig wieder eingestellt.

Insgesamt waren 9 Unfälle zu verzeichnen, davon 3 ohne, 4 mit leichten und 1 mit schweren Verletzungen, während 1 Unfall tödlich verlief.

Durch eigenes Verschulden wurden 3 Unfälle verursacht, bei den übrigen 6 herrschte unglücklicher Zufall vor.

Von den von den Unfällen betroffenen Personen waren 6 Fahrgäste, 1 Motorradfahrer, 1 Radfahrer und 1 Kraftwagenfahrer.


Quelle: Jahresbericht des Städtischen Betriebsamtes Bielefeld. Gas-, Wasser, Elektrizitätswerk, Strassenbahn, Kraftwagenbetrieb und Verkehrsamt für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1933 (Stadtarchiv Bielefeld). Die Angaben in Klammern wurden zum besseren Verständnis ergänzt.

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