Geschäftsbericht der Strassenbahn Bielefeld für das Jahr 1901



Jahresberichte über das Gaswerk, das Elektrizitätswerk und die Strassenbahn
der Stadt Bielefeld für das Jahr 1901. Aufgestellt von C. Brüggemann, Direktor
(Berichtzeitraum: 1. April 1901 – 31. März 1902)


Strassenbahn

Im Anschluss an die im vorigen Berichtsjahr eröffnete Bahnstrecke von Brackwede bis zum Rettungshaus (heute: "Johannesstift") wurde bei Beginn dieses Berichtsjahres nach Eintritt günstiger Witterung mit dem Bau der Reststrecke bis Schildesche begonnen. Dieselbe wurde in der zweiten Hälfte des Monats Mai beendet. Die Landespolizeiliche Abnahme fand am 22. Mai statt. Dieselbe gab zu keinerlei Anständen Veranlassung, so dass der Betrieb gleich am folgenden Tage, am Donnerstag vor Pfingsten, eröffnet werden konnte. Nach den auf der Strecke von Brackwede bis zum Rettungshaus gemachten Erfahrungen, auf der gleich im ersten halben Berichtsjahr anstatt einer halbstündigen eine viertelstündige Wagenfolge eingeführt werden musste, empfahl es sich, von vornherein gleich den 15-Minutenverkehr auch auf der neuen Aussenstrecke einzurichten.

Im Laufe des Betriebsjahres stellte sich heraus, dass selbst eine viertelstündige Wagenfolge oft nicht genügte, um den Verkehr auf den Aussenstrecken, insbesondere nach Brackwede, bewältigen zu können. Auf Grund einer daraufhin erstellten Verkehrsstatistik wurde deshalb eine zeitweise 7 ½ minütliche Wagenfolge in Aussicht genommen und zu dem Zweck der Einbau von je zwei neuen Weichen in beiden Aussenstrecken und die Beschaffung von 4 weiteren Motorwagen beschlossen.

Auf der Aussenstrecke nach Brackwede wurden die beiden Weichen noch vor Weihnachten eingebaut und auf Grund einer weiter angestellten Verkehrsstatistik die 7 ½ minütige Wagenfolge endgültig an Werktagen von 12 mittags bis 8 ½ Uhr abends und an Sonntagen von 10 ½ vormittags bis 8 ½ abends eingeführt.

Auf der Aussenstrecke nach Schildesche, für welche das Bedürfnis einer häufigeren Wagenfolge viel geringer ist als für die Strecke nach Brackwede, wurde der Einbau der weichen zunächst noch zurückgestellt und die behördliche Entscheidung über einen diesseitigen Antrag auf Vergrößerung der Fahrgeschwindigkeit auf der Strecke vom Rettungshaus nach Schildesche abgewartet, um dieser Entscheidung bei der Anordnung der Weichen Rechnung tragen zu können.

Die vier neuen Motorwagen kamen im Oktober (1901) in Betrieb.

An weiteren grösseren Betriebsmitteln wurden im Berichtsjahr ein kombinierter Schneepflug und Salzstreuwagen und ein Sprengwagen beschafft. Die Beschaffung des letzteren wurde erforderlich, um einerseits die begründeten Beschwerden der Anwohner an der Aussenstrecke der Bahn über starke Belästigung durch Staub zu beseitigen, andererseits auch im Interesse der Fahrgäste und zur Schonung der Betriebsmittel.

An der Abzweigung Kaiserstrasse von der Gütersloherstrasse in der Nähe des Brackweder Staatsbahnhofs, wo eine der am meisten benutzten Haltestellen ist, wurde eine Wartehalle errichtet. Die Gemeinde Brackwede stellte das dazu erforderliche Grundstück der Stadt kostenlos zur Verfügung.

Nach Eröffnung des Betriebes auf der ganzen Strecke konnte auch auf Grund der bereits gesammelten Erfahrungen und eines eingehenden Studiums der Tarife von etwa 20 dem hiesigen möglichst ähnlichen Betrieben eine endgültige Festsetzung der Fahrpreise stattfinden. Dieselben sind in der nachstehenden Aufstellung enthalten. Sehr weitgehend sind die Vergünstigungen, welche der Arbeiterbevölkerung gewährt werden. Dieselben sind so bedeutend, dass die aus der Arbeiterbeförderung entstehenden Kosten durch die Einnahmen nicht gedeckt werden; sie finden jedoch ihre Begründung darin, dass die Stadt selbst Unternehmerin du deshalb in der Lage ist, aus sozialpolitischen Gründen auf einen direkten finanziellen Vorteil aus dem Unternehmen zugunsten eines großen Teils der Bevölkerung teilweise zu verzichten.

Betriebsstörungen sind im vergangenen Berichtsjahr keine vorgekommen. Bei Schneefällen, die sonst die meisten Störungen verursachen, hat sich der im vergangenen Berichtsjahr beschaffte Schneepflug und Salzstreuwagen sehr gut bewährt, die Bahn konnte immer fahrbar gehalten werden.

Ein einziger erheblicher Unglücksfall ist im verflossenen Jahre vorgekommen; derselbe wurde durch eigenes Verschulden des Verunglückten herbeigeführt.

Die betriebs- und wirtschaftlichen Ergebnisse sind aus den nachstehenden Zusammenstellungen sowie aus der Gewinn- und Verlustrechnung ersichtlich.

Im verflossenen Berichtsjahr wurden auch die Vorarbeiten für die neue Strassenbahnlinie vom Bahnhof nach Sieker ausgeführt. Die Bewilligung der Mittel zu diesen Vorarbeiten in Höhe von 50 000 Mk. Erfolgte durch Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung am 27. November (1901).

Die Genehmigung der Regierung zum Bau der neuen Strecke wurde am 26. November (1901) beantragt.

Die Mittel für den Bau der Strecke, welche sich nach einem genauen Kostenvoranschlag auf 384 000 Mk. Belaufen, wurden durch Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung vom 5. März 1902 bewilligt.

Zu Ende des Berichtsjahres waren die Vorarbeiten bis zur Vergebung der Lieferungen und Arbeiten fertig gestellt.

Da die neue Linie fast in der ganzen Länge auf städtischen Strassen geführt wird und der Landeshauptmann sowie der gemeinsame Kreisausschuss die Erlaubnis zur Benutzung der in Frage kommenden kurzen Strecken der Provinzial- und Kreisstrassen auf Grund der für die erste Strecke maßgebenden Verträge erteilt haben, so ist zu erwarten, dass keinerlei Konzessionsschwierigkeiten entstehen und dass der Bau deshalb gleich im Frühjahr (1903) in Angriff genommen werden und ununterbrochen zu Ende geführt werden kann, so dass die Betriebseröffnung für den Herbst des kommenden Berichtsjahres in Aussicht steht.


Quelle: Jahresberichte über das Gaswerk, das Elektrizitätswerk und die Strassenbahn der Stadt Bielefeld für das Jahr 1901. Aufgestellt von C. Brüggemann, Direktor, Seite 27-28 (Stadtarchiv Bielefeld). Die Angaben in Klammern wurden zum besseren Verständnis ergänzt.

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