Westfalen-Blatt vom 17. Juni 1954



Vergebliches Liebeswerben um Kleinbahn

Neue Bemühungen im Amte Werther, aber keine greifbaren Vorschläge

Werther. Das Amt Werther hat nochmals alles auf die Beine gestellt, um den Fortbestand der Bielefelder Kreisbahn zu erreichen. Aber die offensichtlich wohlvorbereiteten Angriffe gegen den Kreis Bielefeld, der angeblich „nicht alle Möglichkeiten erschöpft" oder zumindest einen „ungünstigen Zeitpunkt" für die Stillegung gewählt hatte, scheiterten an dem unwiderlegbaren Zahlenmaterial, mit dem Landrat Specht aufwartete. Er wies erneut darauf hin, daß die Weiterführung des Betriebs bei einem Verlust von jährlich 114 000 Mark und einem Rückgang der Einnahmen allein im Personenverkehr von 220 000 Mark innerhalb eines Zeitraumes von 1951 bis 1953, vom rein wirtschaftlichen Standpunkte aus nicht zu verantworten gewesen sei.

Weiter erklärte er, die Kreisverwaltung sei in Verbindung mit der Stadt Bielefeld dem Plane nähergetreten, die Strecke bis Werther und Enger über Bielefeld hinaus bis zu der neuen Sennestadt zu elektrifizieren. Die Verwirklichung sei daran gescheitert, daß durch den Spruch des Verwaltungsgerichtes dem Kreise die Parallelführung des Omnibusverkehrs neben der Schiene untersagt wurde.

Da Landesmittel nicht zur Verfügung gestellt wurden, blieb die vom Verkehrsministerium vorab genehmigte Stillegung der Kreisbahn der einzige Ausweg. Durchschlagend war auch der Hinweis des Landrats auf die geradezu feindliche Einstellung, die weite Kreise der Bevölkerung und teilweise auch amtlicher Stellen während des sog. Omnibus-Krieges gegen den Bus-Verkehr der Kreisbahn einnahmen. Besonders in Jöllenbeck, aber auch im Amt Dornberg und in Enger, die trotz Einladung dieser Aiussprache fernblieben, scheint man auf eine Wiederbelebung der Schienen keinen Wert zu legen.
Um so nachdrücklicher setzte man sich freilich in Werther für die Wiederaufnahme des Personen- und die Fortführung des Güterverkehrs ein. Oberkreisdirektor Dr. Treviranus, Amtsdirektor Ellerbrake und Amtsbürgermeister Riepe geizten weder mit Vorwürfen noch mit wohlgemeinten Ratschlägen, ohne aber irgendwelche Vorschläge für eine finanzielle Beteiligung an dem Bahnbetrieb zu machen. Im Gegenteil, als Landrat Specht, die von ihnen erwartete Hilfe mit 60 000 Mark pro Jahr bezifferte, schwiegen die Vertreter der amtlichen Körperschaft betreten, und H. Stertkamp als Sprecher der Industrie, deren Fortbestand nach den Worten von Bürgermeister Riepe von der Wiederaufnahme des Kleinbahnbetriebes abhängt, beschränkte sich auf die vage Zusicherung, um eine vermehrte Beförderung der Fertigwaren auf der Schiene bemüht zu bleiben.

Einige von den Vertretern der Arbeiterschaft aus Dornberg und Isingdorf vorgebrachten Beschwerden über die ungünstige Fahrplangestaltung der Kreisbahn, wurden unter Bestätigung durch Direktor Neumann von den Stadtwerken Bielefeld seitens des Kleinbahn-Direktors Rimm auf die eigenwillige Festlegung der Arbeitszeit durch die Industrie zurückgeführt. Bei weiteren Klagen über die gegenwärtigen Privat- und Postbusverkehr handelte es sich um Unzuträglichkeiten, die von Oberkreisdirektor Schütz und Landrat Specht bereits während des Omnibuskrieges vorausgesagt wurden für den Fall, daß die damaligen Verfechter der Belange des Privatunternehmers Ewert obsiegten.

Nach vielen fruchtlosen Reden einigte man sich auf einen Vorschlag von Dr. Voß (Industrie- und Handelskammer). In einer nochmaligen Zusammenkunft in engerem Kreise sollen die Möglichkeiten erwogen werden, wenigstens den Güterverkehr auf der Strecke Bielefeld - Werther vorläufig noch ein Jahr lang aufrecht zu halten.

- rs



Wiedergabe des Artikels des Westfalen-Blatt mit freundlicher Genehmigung der Zeitung WESTFALEN-BLATT


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